Hofensemble Gonnersdorf
Wie aus einer existenzbedrohenden Notsituation ein preisgekröntes Architekturensemble entstehen kann, zeigt sich an einem Projekt im Südosten Deutschlands. Ein Hof wurde nach seiner Zerstörung wiedererrichtet und ist seither die Anlaufstelle für Haselnuss-Liebhaber*innen.
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist der Hof in dem kleinen mittelfränkischen Ort Gonnersdorf im Besitz der Familie Stiegler. Auf dem Gelände wurden Haselnüsse angebaut, geröstet, weiterverarbeitet und vermarktet. Durch einen Großbrand im Jahre 2014 wurde die Hofstelle bis auf eine kleine Schmiede zerstört. Mit dem Wiederaufbau beauftragte die Familie Peter Dürschinger und sein Team von Dürschinger Architekten aus dem nahegelegenen Fürth.
Teil eines Ganzen
Für den Architekten war klar, dass sich der Neubau städtebaulich in die kleinteilige Dorfstruktur eingliedern und dabei als ortstypischer Dreiseithof rekonstruiert werden soll. „Unser Ziel war es, dass erst auf den zweiten Blick deutlich wird, dass dort etwas Neues entstanden ist“, erklärt Dürschinger. „Der neue Hof sollte unverwechselbar zu einem Teil des gewachsenen Dorfes werden."
Die Gebäude auf dem 2.900 m2 großen Grundstück wurden ihrer Funktion entsprechend im Hofensemble positioniert: Im Südosten, am Eingang des Hofes, befindet sich das Drei-Generationen-Wohnhaus der Familie Stiegler, dahinter die Nebengebäude für die Landwirtschaft und den Haselnussanbau. Im Norden des Grundstücks schließt sich der Kreis durch die Bauten für die Verarbeitung und den Vertrieb der fertigen Produkte.
Dabei ist es möglich, vom Hofladen aus einen Blick in die Rösterei zu werfen und bei der Produktion von Haselnuss-Brotaufstrichen, -Likör und -Feinkost zuzusehen.
Hommage an die Natur
Die Materialwahl für die Neubauten wird bei dem Architekten durch das zentrale Motiv der Regionalität geprägt: „Gerade auf dem Land geschieht das Bauen aus der Materialität heraus. Dörfer sind schon immer aus dem entstanden, was die Natur den Menschen zur Verfügung stellt. Das macht ihren Charme aus“, erklärt der Architekt.
Vor diesem Hintergrund sollte möglichst viel der Originalsubstanz wiederverwendet werden. Während Holzbauteile der historischen Hofbebauung abbrannten, konnte der Sandstein dem Feuer trotzen. Da dieser jedoch nicht den heutigen baulichen Anforderungen entspricht, kam er ausschließlich für die äußere Schicht in den Sockelbereichen zum Einsatz. Die tragenden Schichten aller erdberührten Bauteile wurden aus Kalksandstein von KS-Original errichtet. „Der Sandstein wurde zeitgemäß durch Kalksandstein ersetzt. Es ist ein wirtschaftliches und zudem natürliches Material, das sich leicht verarbeiten lässt“, begründet der Architekt die Wahl für den Werkstoff.
Auch für die Platzierung an den Grundstücksgrenzen spielte er aus Brandschutzgründen eine entscheidende Rolle. Da der weiße Stein aufgrund seiner Zusammensetzung nicht brennbar ist und Standsicherheit besitzt, wurden auch die notwendigen Brandwände mit Kalksandstein errichtet. Alle oberirdischen Bauteile sowie die Fassaden wurden in Anlehnung an das historische Original aus regionalem Holz aus den umliegenden Wäldern gebaut.
Zusammenhalt und Optimismus
Sowohl die Familie selbst als auch Menschen aus dem Umkreis halfen bei dem Wiederaufbau der Hofstelle mit. Der Architekt zeigt sich beeindruckt: „Der Hof glich nach dem Brand einem Trümmerhaufen. Und trotzdem verteilte die Großmutter der Familie mit nahezu 90 Jahren noch ganz selbstverständlich Essen an die Helfer*innen. Aus dieser Notsituation heraus entstand großes Vertrauen, dass eine Zukunft für den Hof möglich ist.“
Und das war es: Die Haselnuss hat sich so gut etabliert, dass nun viele Menschen anreisen, die einen Blick auf die Haselnussfelder werfen und bei der Produktion zuschauen dürfen – mit anschließender Verkostung. „Der Lebenszyklus der Haselnuss ist zu einem richtigen Event geworden. Das hat fast schon romantische Züge“, ergänzt Dürschinger.
Privat
Dürschinger Architekten, Fürth
KS-Planstein Mauersteine
Kalksandstein mit einer Holzverkleidung